Newsticker #165

|
| Kunstwerk des Monats Oktober: Barbara Quandt – Stein ins Rollen bringen
Liebe Freunde der Galerie, unser Kunstwerk des Monats Oktober ist ein Werk der Berliner Künstlerin Barbara Quandt aus der laufenden Ausstellung „Zeitgenössische figürliche Malerei aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen im Dialog“, die noch bis zum 18. Januar bei uns zu sehen ist. Von der Londoner Punk-Kultur und später von Erlebnissen ihres USA- und Afrika-Aufenthalts fasziniert, entwickelte die Berliner Künstlerin ab Ende der 70er Jahre ihren eigenwilligen persönlichen Stil – eine Gratwanderung zwischen Figuration und abstrakt gestischer Malweise. „Stein ins Rollen bringen“ ist ein polarisierendes Bild. In seiner Malweise steht es deutlich in Bezug zur Malerei der Jungen Wilden. In dieser ebenso expressiv wie spontan agierenden Malbewegung der 1980er Jahre wurde die realistische Darstellung des Raumes zumeist aufgegeben zugunsten eines emotionalen Ausdrucks. So gibt es in diesem Gemälde auch keine klaren Perspektivlinien oder detailliert-architektonische Details. Die Raumtiefe ist durch wenige horizontale und vertikale wie impulsiv gesetzte gestische Pinselzüge angedeutet. Ein Zimmer, ein Bett und ein Fenster lassen sich erahnen. Durch das Fenster mit der halb geöffneten Jalousie fällt Sonnenlicht in den Raum. Gegenstände, Kerzen vielleicht, erscheinen als abstrakte Akzente. Die skizzenhaft-malerische Vorgehensweise verleiht dem Motiv eine dramatische Dimension. Gelb und Ocker, erzeugen eine hitzige, emotional aufgeladene Atmosphäre. Der nackte Körper einer Frau mit einem langen Zopf dominiert das Geschehen. Die gebückte Körperhaltung der Frau wirkt angespannt. Eine Bewegung des Greifens und Hebens ist zu erkennen. Um genügend Kraft aufzubringen, hat sich die Frau mit einem Fuß auf dem Bett abgestützt. Ihre Anstrengungen gelten dem direkt unter ihrem Schoß befindlichen Objekt. Es ähnelt in seiner rundlichen Form und der grau-bleiernen Farbe einem Stein, doch trägt es die Züge eines männlichen Gesichts. Barbara Quandt hat ihr Motiv bewusst vieldeutig angelegt. Was sind ihre künstlerischen Absichten? Verbirgt sich hinter dieser Szene eine wahre autobiografische Geschichte? Geht es um eine spannungsgeladene Beziehung? Oder doch vielleicht um den zeitlosen Konflikt zwischen Mann und Frau? Das ließe sich annehmen, zumal der Stein in der Kunst Urbegriff ist für das Uralte und Unbewegte. Oder ist das Thema des Bildes eigentlich nur der Anlass für die Malerei an sich? Einen Stein ins Rollen bringen ist eine Redewendung, die für das Herbeiführen einer Veränderung steht. Sie erinnert allerdings auch an Sisyphus aus der griechischen Mythologie, der vergebens versucht, einen Stein den Berg hinaufzurollen. „Stein ins Rollen bringen“ knüpft aber auch an Kunsttraditionen an. So beispielsweise an Max Liebermanns Gemälde „Samson und Delila“ von 1902 oder Edvard Munchs Bild „Asche“ von 1925. Das Bild der Berliner Künstlerin muss man aber wohl auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bewegungen und Entwicklungen der 1970er und 1980er Jahre interpretieren, einer Zeit der Fortführung des Kampfes um Gleichstellung und Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau. Somit ließe sich „Stein ins Rollen bringen“ auch als Bekenntnis zum sexuellen Potenzial der Frau und dem Willen, Veränderungen herbeizuführen, um patriarchische Strukturen aufzubrechen, deuten. André Lindhorst, 2025 |
|
|
|



