Christa Dichgans

Christa Dichgans

GERMAN POP ART & POP SURREALISMUS

„In ihrem einzigartigen und realitätsgeladenen Pop-Surrealismus ist das Festhalten der Zeit vereint mit den Dramen des Alltäglichen.“ Mit dieser Einschätzung würdigte die Wiener Ausstellung ‚Power Up – Female Pop Art‘ 2010 die Bedeutung des Œuvres der Berliner Künstlerin Christa Dichgans. Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung attestierte der Künstlerin, dass ihr bereits Mitte der 1960er Jahre eine deutsche Pop Art Variante ganz eigener Prägung „mit einem Zug ins Surreale“ gelungen sei. Jetzt hat die Berliner Galerie Köppe Contemporary der Grand Lady der Pop Art eine Ausstellung eingerichtet, die neben frühen Werken jüngste, bisher selten oder gar nicht öffentlich gezeigte Gemälde, druckgrafische Arbeiten und Zeichnungen präsentiert.

Frühe künstlerische Entwicklung

Abstrakte, geometrische oder ornamentale Bildmuster durchziehen die frühen Arbeiten der Künstlerin. Noch verschreibt sich Christa Dichgans keinem Stil. Sie lässt sich von der Konkreten Kunst, dem Surrealismus oder der Neuen Sachlichkeit anregen. Doch schon bald nach ihrem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Berlin begann sie ihren ganz eigenen Weg in der Kunst zu verfolgen. „In ihrem ornamentalen ‚All-Over-Stil‘, der den illusionistischen Tiefenraum traditioneller gegenständlicher Malerei einebnete, war ihre Entwicklung zu einem formal reduzierten Realismus bereits angelegt“ (Heinz Stahlhut). Und auch ihr Prinzip der ‚Masse‘ und der ‚Häufung‘, das die Künstlerin mit der Kritik an Konsum und oberflächlichem Lebensstil unmittelbar in Bezug zur international vorherrschenden Pop-Art bringen sollte, erprobte die Künstlerin schon Mitte der 1960er Jahre.

Pop Art Stillleben

1966 tritt Christa Dichgans ihr DAAD-Stipendium in New York an. Während der beiden Jahre, die sie in der amerikanischen Metropole verbringt, kommt sie in Berührung mit der amerikanischen Pop Art. Als sie bei der Salvation Army (Heilsarmee) aus Bergen von wie achtlos weggeschmissenem Kinderspielzeug etwas für ihr Kind heraussucht, wird diese Begegnung zur Initialzündung für die sozialkritisch-wirklichkeitsnahe Kunstpraxis, für die die Künstlerin ein Leben lang stehen wird. „In New York prägt Christa Dichgans jenen zwischen heiter und hintergründig, spielerisch und zeitkritisch changierenden, von vielfältigen Brechungen bestimmten Popstil heraus, der 1966 zum ästhetischen Markenzeichen ihrer Arbeit wird“, schreibt die amerikanische Kunstkritikerin und Kuratorin Belinda GraceGardner. Wie beim Popstar Andy Warhol die Campbell-Dosen-Stillleben, so werden bei Dichgans das Spielzeug und ab 1968 die aufblasbaren Gummitiere und Plastikherzen zum stillen Protest gegen Materialismus, Konsumismus und sozialer Kälte.

Vorläuferin späterer Kunstentwicklungen

Fast fünfzig Jahre später sollten Kunsthistoriker in Dichgans Kunststoffwolken und -herzen sowie in ihren Spielzeuggemälden verblüffende Parallelen zu den Gemälden mit Spielzeugen und den Installationen mit Gummi- und Ballontieren von Jeff Koons sehen. Im Begleitkatalog der Schirn-Kunsthalle, Frankfurt von 2014 heißt es: „Bereits 1968 nimmt Christa Dichgans formal eine Bildsprache vorweg, die in den USA unter anderem über den Post-Pop-Artisten Jeff Koons in den 1990er und 2000erJahren populär werden sollte“.

Ahnungen und Mahnungen

In der Folgezeit weitet die Künstlerin ihre Themen aus. Zunehmend fokussiert Christa Dichgans ihre Themen auf die Bühnen des realitäts- und aggressionsgeladenen Lebens. Ihre Malerei konzentriert sich auf das Thema Stadt als Verdichtung des Existentiellen. Hochhausartige Türme werden zu ihrem Hauptsujet. Sie erscheinen der Künstlerin als groteske Symbole von Macht und Arroganz. Manche Bilder, beispielsweise der dramatische Zusammenbruch von Wolkenkratzern oder Türmen in der 1984 begonnenen Werkserie ‚Turmbau zu Babel‘ erschrecken heute angesichts der Parallelen zu den Ereignissen um die Twin Towers am 11. September 2001 in New York.

Schon in den 1970er Jahren unter dem Eindruck ökologischer Desaster steigert sich ihre Malerei mehr und mehr zu apokalyptischen Visionen, die deutliche Bezüge zum Alten Testament und zur biblischen Apokalypse aufweisen. In Arbeiten wie in dem 1976 entstandenen Gemälde ‚Der Jüngste Tag‘ überwuchert ein Gewirr von Zivilisationsmüll nahezu den gesamten Bildraum. Unter dem Konsummüll ist die einstige Natur begraben. Ein bedrohlich schwarzer Himmel ragt wie ein abziehender Sturm nach einer Katastrophe über dem Horizont.

In ihrem unverwechselbaren Stil hat sich Christa Dichgans mit vielen Themen auseinandergesetzt, die die moderne Menschheit geprägt haben. Die Raumfahrt beispielsweise und die Folgen einer ungebrochenen Fortschrittseuphorie. In ihrem Bild ‚Mond und Mondfahrt‘ (1972), das sie drei Jahre nach der Mondlandung für eine New Yorker Galerie zum Thema Amerikanische Unabhängigkeit malte, erhebt sich Weltraumschrott, zu einem gigantischen Berg aufgeschichtet, bedrohlich in Richtung eines noch jungfräulich weiß am Himmel schimmernden Mondes.

Eigenständige Position in der Kunstgeschichte

Ihre Sujets, die sie konsequent entwickelte und variierte, weisen immer eine politische Komponente auf. Der Blick von Christa Dichgans auf die Welt ist so präzise und nüchtern analysierend wie ihr Kunststil, mit dem die Berlinerin inzwischen eine eigenständige Position in der Kunstgeschichte einnimmt.

Doch bei all dem Bedrohlichen oder Prophetischen, das aus vielen Werkserien der Künstlerin spricht, ist eine Ambivalenz spürbar. In der Welt, wie sie die Berliner Künstlerin als hochkompliziert und in hohem Maße gefährdet charakterisiert, begegnen dem Betrachter immer auch Zeichen von Sehnsucht und von Hoffnung auf Erneuerung.

André Lindhorst, Köppe Contemporary, 2015

Biografie

Vita

1940
Born in Berlin

1960 – 1965
Hochschule der Künste, Berlin

1966 – 1967
DAAD in New York

1971
Villa Romana, Florence

Lebt und arbeitet in Berlin

Ausstellungen

(E) Einzel

2011
‘The Art of Mapping’ curated by TAG Fine Arts, Dover Street, London
St. Matthäus-Kirche, Berlin
Power Up Female Pop Art, Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen

2010
Power Up Female Pop Art, Kunsthalle Wien, Vienna, Austria
Summer Show, Daniel Blau, Munich, Germany
Spielzeugbilder 1967-7, Daniel Blau, Munich, Germany (E)
King Kong Kisses, Contemporary Fine Arts, Berlin, Germany (E)

2004
Christa Dichgans: Bilder und Skulpturen, Galerie Kasten, Mannheim (E)

2000
Christa Dichgans. Zum 60 – Bilder“, Galerie Poll, Berlin (E)

1997
Daniel Blau, Munich (E)

1996
Galerie Kasten, Mannheim (E)
Galerie Fred Jahn, Munich (E)
Künstlervereinigung ‘Die Ecke’, Augsburg (E)
Hochschule der Bildenden Künste, Dresden (E)
Galerie Springer, Berlin (E)

1995
Balschug Hotel, Goethe Institut, Moscow (E)
Musée d’Art Moderne, Nice (E)
Galerie Renée Ziegler, Zurich (E)
Galerie Pudelko, Bonn (E)

1986
Galerie Springer, Berlin (E)
Galerie Joachim Becker, Cannes (E)

1985
Mannheimer Kunstverein, Mannheim (E)
Städtische Galerie, Viersen, Germany (E)

1984
Galerie Hans Neuendorf, Hamburg (E)
Raab Galerie, Berlin (E)
Zukunftsträume, Kassel, Orangerie Karlsruhe, Erlangen Städtische Galerie, Palais Stuterheim, Graz

1983
Mensch und Landschaft in der zeitgenössischen Malerei und Grafik in der Bundesrepublik”, Moskau Leningrad
Berlin 1983 in Amsterdam, Amsterdam
All Over, Städtisches Museum Schloss Hardenberg, Velbert
Hinter der Wirklichkeit, Brunwiker Pavillon, Kiel
Galerie Hans Strelow, Düsseldorf (E)
Collagen, Materialbilder-Objekte, Kunstamt Wedding, Berlin
Orangerie 1982, kleine Orangerie, Berlin

1982
Galerie Springer Berlin
Realistinnen, Hochschule der Künste Berlin
Galleria d’Arte il Traghetto, Venedig / Vennice, Italy

1981
Kunstverein Göttingen e.V., Göttingen
Galerie im Louvre, Darmstadt
Galerie Springer, Berlin
I. Triennale für zeitgenössische Bibliophilie, Homburg-Schwarenacker, Germany
Stilleben – heute, Galerie von Loeper, Hamburg

1980
The Exchange Show, San Francisco

1979
Malerei in Berlin 1970 – heute, Städtisches Kunstmuseum Bonn, Bonn
Deutscher Künstlerbund-Austellung, Berlin

1978
Aschaffenburger Kunstmarkt
Arte Fiera 78, Bologna, IT
Galerie Springer, Berlin
Böttcherstraße, Bremen

1976
A patriotic show, Lerner – Heller Gallery, New York
The Humanist View, (American Condern)
Moravian College, Bethlehem, USA

1975
Kunstverein Ludwigsburg, Ludwigsburg
Lerner Heller Gallery, New York, USA

1974
Galerie Marzona, Bielefeld

1972
Galerie Springer, Berlin

1971
Villa Romana, Florence

1970
„Atuel Kunst fra Vesterblin“, Pa Genthofte Radhuos, Kopenhagen

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